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Die geerbte Ruhla-Armbanduhr

[gerichtsbericht]

"Differenzen in der Ehe beginnen meistens damit, daß der eine Teil
zu viel redet, und der andere zu wenig zuhört", wußte bereits der Schriftsteller, Schauspieler und Regisseur Curt Goetz (1888 - 1960) zu berichten. Er sprach aus Erfahrung. Gemeinsam mit seiner Frau Valerie von Martens spielte er in pointierten Komödien aus eigener Feder, die über das Wechselbad der Gefühle in jenem Bund erzählten, der eigentlich für das ganze Leben geschmiedet sein sollte. Kurioserweise ist das gefürchtete verflixte siebente Jahr relativ ungefährlich: Statistische Untersuchungen belegen nämlich, daß die Gipfelpunkte der Scheidungsrate im dritten und im fünften Ehejahr liegen. Danach ist für längere Zeit Ruhe. Erst nachdem die Kinder aus dem Haus sind, nämlich im 19. Ehejahr, steigt die Zahl der Trennungen wieder sprunghaft an. Die Ehe von Gilbert und Constanze hielt mit zwölf Jahren also überdurchschnittlich lange. Das lag vor allem daran, daß Gilbert seine Karriere als selbständiger Elektromeister in der Firma seines Schwiegervaters Bruno begonnen hatte. Er konnte sich erst zum Bruch mit seiner Gemahlin entschließen, nachdem er auf eigenen Füßen stand.
Einige Jahre nach der Scheidung starb Gilberts ehemaliger Schwieger-
vater. Bei der Testamentseröffnung stellte sich heraus, daß Brunos letztwillige Verfügung noch aus dem Jahr 1998 stammte. Darin hieß es: "Hiermit setze ich meine Tochter Constanze zu meiner alleinigen Erbin ein. Mein Hausgrundstück und das Mobiliar vermache ich meiner guten Ehefrau. Die übrige persönliche Habe bekommen meine liebe Tochter und ihr patenter Ehemann je zur Hälfte." Auf der Beliebtheitsskala von Constanze rangierte ihr Verflossener inzwischen weit unten im Minus-
bereich. Aus diesem Grund zeigte sie sich sehr erfinderisch bei der Erfüllung des letzten Willens ihres Vaters. Sie schickte Gilbert ein kleines Päckchen. Darin befanden sich eine Ruhla-Armbanduhr, ein Bakelit-Taschenkamm, eine Prothesen-Zahnbürste, ein Fingernagel-
knipser und ein vernickelter Patentkorkenzieher. Auf dem Begleit-
schreiben stand: "Hallo Ex! Laut Testament steht dir von allem nur die Hälfte zu. Aber ich will großzügig sein und übergebe dir die persönlich Habe meine Vaters komplett." Gilbert konnte über diesen Scherz nicht lachen, denn sein ehemaliger Schwiegervater hatte zum Zeitpunkt seines Todes ein üppiges Bankguthaben, mehrere Wertpapier-depots und einen nagelneuen Mercedes besessen. Der Gesamtwert dieses Vermögens lag schätzungsweise bei 200.000 Euro. Gilbert reichte Klage ein. In seinem Antrag schrieb er: "Mir stehen wenigstens 100.000 Euro zu. Ich habe die Hälfte der übrigen persönlichen Habe vermacht bekommen. Dazu zählen die Konten, die Aktien und der Pkw." Das Gericht mußte sich daher mit der Frage beschäftigen, was der Erblasser mit dem Begriff der übrigen persönlichen Habe gemeint haben könnte.
Im Urteil hieß es: "Bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist unter persönlicher Habe kein Vermögen zu verstehen. Persönliche Habe steht für Gegenstände des persönlichen Gebrauchs. Geld ist immer ein unpersönlicher Gegenstand, auch wenn er sich im Haushalt befindet. Die Systematik des Testaments spricht dafür, daß mit dem Begriff nur körperliche Gegenstände wie Kleidung, Schmuck und Bücher gemeint waren, zu denen der Erblasser eine persönliche Beziehung hatte." Die Klage wurde abgewiesen. Eine Wochen nach dem Prozeß erhielt Gilbert ein weiteres Päckchen von Constanze zugestellt. Darin lag das Lieblingsbuch seines Schwiegervaters. Es war ein schmales, rotes Bändchen: Brunos Sparkassenbuch. Allerdings bereits entwertet.
 

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